Brustkrebs und Sexualität

 

 

Ein massiver Einschnitt ins Sexualleben

 

Mit Brustkrebs ist ein massiver Einschnitt in Ihr Sexualleben passiert. Die Brust als Sexualorgan ist Ausgangspunkt einer Erkrankung und bleibt trotzdem ein Ort, an dem Lust empfunden werden kann und über die Sexualität gelebt wird. Angst vor Erkrankung, Operation, Behandlung, unerwünschte Arzneimittelwirkungen, Siechtum und Tod treten krisenhaft in den Vordergrund des Erlebens, Sexualität tritt in den Hintergrund.

Alles konzentriert sich auf das Bewältigen der belastenden Situation („Ich will gesund werden“), die Auseinandersetzung mit Sexualität wird oft als unangemessen erlebt und auf später verschoben („Das wird dann schon wieder, wenn ich gesund bin“).

Wir versuchen, einen häufigen Ablauf dieser Dynamik zu beschreiben sowie weibliche und männliche Sichtweisen und Erlebniswelten in ihrer Übereinstimmung und ihren Unterschieden aufzuzeigen. Dies soll Ihnen helfen wahrzunehmen, wo und wie Konflikte entstehen und wie Sie sie bewältigen können.

 

"Normale" Veränderungen in der Sexualität

 

Wenn Sie zurückschauen, so werden Sie feststellen, dass Sie schon eine Reihe von Veränderungen Ihrer weiblichen Körperlichkeit durchlaufen haben, die mit Sexualität in engem Zusammenhang gestanden sind (z.B. erste Regel, erste sexuelle Begegnung, Partnerwechsel, Infektionen im Geschlechtsbereich, unangenehme Sexualerlebnisse, Kinder gebären, Stillen, Schwangerschaftsabbruch, Fehlgeburt, hormonelle Veränderungen, beruflicher Stress, Belastungsspitzen, Hinwendung zu anderen Lebensschwerpunkten, zeitlich beschränkte sexuelle Abstinenz, Wechsel, ...).

 

Warum ich? Warum Brustkrebs? Wer ist schuld?

 

Diese Frage würde sich nicht stellen, wäre Sexualität nicht mit den unterschiedlichsten Werten verbunden: Tatsache in unserer Gesellschaft ist, dass Sexualität als gut oder böse, falsch oder richtig, erlaubt oder verboten bewertet wird. Viele Frauen und ihre Partner stellen sich daher die Frage, ob in ihrer sexuellen Geschichte Böses, Falsches oder Verbotenes vorgekommen ist, für das sie jetzt mit der Krankheit Brustkrebs bestraft werden könnten.
Falls Sie geneigt sein sollten, diese Frage positiv zu beantworten, müssen wir Ihnen massiv widersprechen:
Keinesfalls sind Ereignisse wie vor- und außereheliche Sexualität, Fehlgeburt, Schwangerschaftsabbruch, sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, psychische oder physische Gewalt Ursachen von Brustkrebs.
Bei fünf bis zehn Prozent aller Frauen ist Brustkrebs genetisch bedingt, bei allen anderen Frauen ist die Ursache ein noch weitgehend unerforschtes, komplexes Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren.
Aber eines steht fest: Brustkrebs ist kein schuldhaftes Geschehen, sondern eine Krankheit, ein Schicksalsschlag, mit dem sich Menschen konfrontiert sehen.

Niemand ist also schuld - weder Sie selbst, noch Ihr Partner, noch sonst irgendjemand.

 

Jetzt an Sex denken?

 

Erleben viele Frauen ihre Brüste im Alltag als Teil ihrer Weiblichkeit, als wichtigen Ort der Sexualität, ändert sich die Wahrnehmung, wenn eine Frau an Brustkrebs erkrankt. Plötzlich ist die Brust nur noch Ort der Krankheit, ihre sexuelle Bedeutung wird zurückgenommen, Behandlung und Heilung stehen im Vordergrund. Dennoch bleibt Sexualität im Hintergrund stets wichtig - sei es, dass der Wunsch nach gelebter Sexualität wieder auftritt, der mögliche Verlust bewusst wird oder der Druck erlebt wird, wieder sexuell ansprechbar zu werden.

 

Unangemessene Gedanken an Sex?

 

Selten findet sich im Behandlungsteam des Spitals und im sozialen Umfeld jemand, der Sie ermuntert, die Sexualität wieder aus dem Hintergrund hervorzuholen. Ganz im Gegenteil haben Sie vielleicht das Gefühl, unangemessene Gedanken zu hegen, wenn Ihnen Sexualität angesichts der Bedrohung durch Brustkrebs wichtig erscheint, weil meist auch im Gespräch mit anderen Brustkrebs-Patientinnen das Thema Sexualität ausgespart bleibt. Deshalb haben viele Frauen das Gefühl, sie wären die einzigen, die von Veränderungen in der Sexualität betroffen wären und schweigen, weil sie sich dafür schämen.

 

Autorin

Dr. Gabriele Traun-Vogt & Peter F. Herdina (Februar 2011) , Weiterführender Artikel auf SexMedPedia

 

mit freundlicher Genehmigung von www.sexmedpedia.at